Emster Bürgerwut stoppt Planungsamt

Emst. Es sollte um die Zukunft des Emster Marktplatzes gehen. Über die marode Turnhalle, die Zukunft des Wochenmarktes sowie die Errichtung eines Vollsortiment-Supermarktes (ca. 1200 qm) wollte die Verwaltung mit den Bürgern diskutieren. Doch zum konstruktiven Meinungsaustausch kam es am Dienstagabend in aufgeheizter Stimmung in keiner Phase. Stattdessen entpuppte sich der Termin für die städtischen Planer als Beerdigung in Bierzeltatmosphäre.

Jürgen Schädel, Ressortleiter Stadtplanung, musste seinen selben dem zum Teil fanatisierten Auditorium hinhalten. Gut 400 aufgebrachte Emster drängten sich im Pavillon der Realschule, um Dampf abzulassen. Schneller Ersatz für die brüchige Turnhalle und bloß kein größerer Supermarkt auf der Emster Pferdewiese - die Botschaft der Bürger ließ keinen Spielraum für Kompromisse.

Gemeinsam mit seinen Kolleginnen Marion Schwill-Höbig und Dorothee Jacobs versuchte Schädel deutlich zu machen, dass die Rahmenplanentwürfe für den Emster Marktplatz erdacht worden seien, um auch in 15 Jahren noch das Einkaufen zu Fuß (600-Meter-Radius) zu ermöglichen. Denn die Tage des Kaufparks (G.-Hauptmann-Straße) und Markant-Marktes (Am Großen Feld) seien ebenso gezählt wie die der noch kleineren Händler entlang der Emster Straße. "Sie müssen in langfristen Zeiträumen denken, den Kaufpark wird es verdammt kurzfristig nicht mehr geben", appellierte Dorothee Jacobs an die prompt widersprechenden Zuhörer, den Erfahrungswerten und Prognosen der Experten Glauben zu schenken. Der Inhaber der zu klein gewordenen 420-Quadratmeter-Filiale habe konkret signalisiert, dass angesichts fehlender Erweiterungschancen und Parkplätze die betriebswirtschaftliche Grundlage schwinde.

Argumente, die nicht nur von den älteren Emstern (50 Prozent des Stadtbezirks sind älter als 50 Jahre) als zynischer Abgesang auf den noch existierenden Einzelhandel empfunden wurden. In Zeiten von Erlebniskauf-Philosophie und Geiz-ist-geil-Debatten glauben die Emster, ihr gewachsenes Einkaufsidyll gegenüber der Konkurrenz auf der grünen Wiese sowie den immer näher rückenden Discountern erhalten zu können.

Einige Anwohner zeichneten gar das Zerrbild der glückseeligen Gartenstadt-Insel Emst, in der ohne Unterlass Menschen mit Einkaufstaschen an der Hand von Einzelhändler zu Einzelhändler pilgern, um nicht nur die Umwelt vor Abgasen zu schützen, sondern auch durch Pläuschchen im Laden das zwischenmenschliche Miteinander zu pflegen. Verklärte Argumente, die angesichts des vereinigten Widerstandes im Auditorium keinerlei Widerspruch erfuhren. Zumal auch Vertreter der Ratsparteien die Bürgerinfo zu populistischer Selbstdarstellung missbrauchten und Öl ins gleiche Feuer gossen.

"Wir sind nicht als Klatschkulisse hierher gekommen, um ihre Planung abzunicken!" "Statt an den Bürgern vorbeizuplanen, sollten Sie die gleiche Energie lieber in eine neue Turnhalle stecken!" Zurufe, gegen die die nicht immer optimal vorbereitet wirkenden Verwaltungsvertreter nur schwer anargumentieren konnten. Sorgen um ein zu hohes Verkehrsaufkommen, Gefahren für die Grundschüler und die Angst, dass ein Vollsortimenter den Wochenmarkt töten könnte, wogen schwer.

Anwohner Herbert Boecker brachte schließlich den versammelten Zorn der Emster auf den Punkt: "Packen Sie Ihre Sachen und gehen Sie nach Hause - und alles wird sich gut entwickeln", rief er den städtischen Planern zu.

Eine Botschaft, die auch im Kopf des mit reichlich Protestunterschriften bepackten Bezirksvorstehers Jürgen Glaeser haften blieb: "Die Leute wollen keinen Vollsortimenter, sondern eine neue Turnhalle - wir werden also ernsthaft über das weitere Verfahren nachdenken müssen."

Baudezernent Thomas Grothe ging am Tag danach davon aus, dass die Pläne für den Vollsortimenter erledigt sind. Allerdings sei damit auch die Nahversorgung der Bürger als Qualitätskriterium für Wohnen gefährdet: "Die Umgestaltung des Boeler Marktplatzes wird den Emstern zeigen, dass es auch anders geht."

Von Martin Weiske
Westfalenpost
20.01.2005